Steinke / Geschichten
Kunden berichten:
Ich lebe, das zählt
Es wurde lebensbedrohlich
Nachdem der 45-Jährige Christian Winkelmann mehrere Finger und Zehen verlor, erleichtert ihm heute eine Teilhandprothese den Alltag.
Christian Winkelmanns Krankheitsgeschichte ist tragisch: Ein Erreger, von dem niemand erklären kann, wie genau er in den Körper des damals 43-jährigen Mannes gelangt ist, hat sein Leben für immer verändert. "Bis dahin war ich nie schwer krank, hatte höchstens mal einen Schnupfen", sagt er. "Ich habe bei VW in Wolfsburg im Karosseriebau gearbeitet." An seinen alten Arbeitsplatz wird er nie zurückkehren können, denn ihm fehlt das linke Auge, außerdem wurden mehrere Finger und alle Zehen amputiert. Sein unbeschwertes Leben endete am letzten Tag des Jahres 2017. "Ich wachte am 31. Dezember morgens mit einem heftig geschwollenen und schmerzenden linken Auge auf und hatte Kreislaufprobleme", erzählt er. Sein Bruder fuhr ihn ins Krankenhaus. Aus dem Plan, sich schnell verarzten zu lassen und in ein paar Stunden wieder zu Hause zu sein, wurde nichts. Es sollte mehr als ein halbes Jahr dauern, bis er das Klinikum Hannover wieder verlassen durfte.
Die Ärzte versetzten ihn in ein künstliches Koma, diagnostizierten eine Streptokokken-Infektion im Auge, aus der sich eine Blutvergiftung entwickelte. Immer wieder gibt es Fälle, bei denen aus vermeintlich harmlosen Infektionen eine lebensbedrohliche Sepsis entsteht.
Blutvergiftungen entstehen, wenn Bakterien, in selteneren Fällen Pilze, Viren oder Parasiten, in den Körper eindringen und der Organismus nicht in der Lage ist, die Ausbreitung der Keime zu verhindern. Ist der Körper geschwächt, zum Beispiel im Rahmen einer anderen Erkrankung, oder sind die Erreger besonders aggressiv, kann sich die Infektion und damit die Entzündungsreaktion auf den ganzen Organismus ausbreiten. "Man kann daran sterben. Ich lebe noch, mir geht es wieder gut. Das ist es, was für mich zählt", sagt Christian Winkelmann.
Die Ärzte versuchten zunächst, sein Auge zu retten. Leider vergeblich. "Die Schmerzen wurden unerträglich. Sie mussten es entfernen." Doch das war nicht alles: Durch die Blutvergiftung wurde der Körper schwer in Mitleidenschaft gezogen. Die Finger und Zehen wurden teilweise schwarz, die Ärzte amputierten sie. Dann versagten die Nieren, Christian Winkelmann musste zeitweise zur Dialyse. Heute hat er an der linken Hand nur noch "einen halben Daumen", wie er sagt. An der rechten sind ihm drei Finger geblieben. Er musste das Laufen wieder lernen, sich an das Sehen mit einem Auge gewöhnen - und sich mit seinem neuen, eingeschränkten Leben arrangieren. "Das fällt an einem dunklen Herbsttag schwer. Da bin ich manchmal niedergeschlagen und frage mich, was das alles noch soll. Aber jetzt im Frühling geht es. Ich versuche zu kämpfen und auf das zu schauen, was ich noch kann."
Mit Teilhandprothese geht Vieles
Um im Alltag besser zurechtzukommen, trägt er seit Februar 2019 eine Teilhandprothese, die die fehlenden Finger der linken Hand ersetzt und dafür sorgt, dass er wieder greifen kann. Für den STEINKE Orthopädietechnik-Meister Ulf Stühff und den Orthopädietechniker Christian Tschuschke war die Versorgung eines Kunden mit dieser speziellen myoelektrischen Prothese "i-digits quantum" eine Herausforderung, da nicht die komplette Hand, sondern nur einzelne Finger durch funktionelle Prothesenteile ersetzt wurden.
Sie fuhren gemeinsam mit Christian Winkelmann zu einer Weiterbildung bei Össur, einem Hersteller von Prothesen und Orthesen, in Heidelberg. Heute ist das STEINKE Orthopädie-Center für diese Art von Versorgungen zertifiziert. Die hochfunktionellen Komponenten müssen ausgewählt und auf die Bedürfnisse des Anwenders angepasst werden, der die Prothesennutzung anfangs auch trainieren muss. "Myoelektrisch bedeutet, dass die Finger der Prothese durch Muskelkontraktionen im Handstumpf gebeugt und gestreckt werden", erläutert Christian Tschuschke. Die Prothesenfinger bewegen sich unabhängig voneinander und arbeiten, wenn vorhanden, mit den verbleibenden natürlichen Fingern zusammen. "Mit einfachen Gesten kann Herr Winkelmann zwischen verschiedenen einprogrammierten Griffen wechseln. Beispielsweise öffnet sich die Teilhandprothese, wenn er den kleinen Finger abspreizt, um z.B. einen Schlüssel, ein Blatt Papier oder einen Besenstiel zu greifen."
An die neue Hand, die bei STEINKE in seiner Wunschfarbe Grün gefertigt wurde und deren Finger mit schwarzem Gummi überzogen sind, damit Gegenstände nicht so leicht aus der Hand rutschen, hat sich Christian Winkelmann mittlerweile gewöhnt. Ein Glas Wasser eingießen oder mit einem Besen zu Hause den Hof fegen - das funktioniert damit wieder. "Die Prothese erleichtert mir den Alltag", sagt er. "Ich bin sehr froh, dass es solche technischen Entwicklungen gibt. Wenn ich neue Griffe brauche, kann ich viele selbst mit einer App nachträglich einprogrammieren." Demnächst bekommt er noch eine Epithese, um das fehlende Auge zu ersetzen. Die Hilfsmittel, die ihm das Leben trotz aller Einschränkungen erleichtern, nimmt er dankbar an. "Ich kann nicht mehr wie früher, das muss ich akzeptieren. Aber man lernt, damit umzugehen", sagt er. "Es braucht einfach verdammt viel Zeit und Geduld."
Dana Toschner, Ideengut OHG