Steinke / Geschichten
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Leben mit dem Lipödem
Die schwierige Diagnose
Abwertende Blicke und gemeine Kommentare hat Celine Schrader wegen ihrer Figur schon als 13-Jährige einstecken müssen. Sie wurde gehänselt, zur Ernährungsberatung geschickt, versuchte Diäten einzuhalten und sich mehr zu bewegen. Doch nichts half. Vom Bauch abwärts bis zu den Knien wurde ihr Körper einfach immer fülliger. Das war nicht nur lästig, sondern auch schmerzhaft, denn beim Laufen scheuerten die Innenseiten der Oberschenkel aneinander. „Ich habe mich in meinem Körper immer unwohl gefühlt“, sagt die 18-Jährige heute.
In den vergangenen Jahren hat die Emerslebenerin nicht nur einen psychisch anstrengenden Spießrutenlauf, sondern auch einen Ärztemarathon hinter sich. „Oft fühlte es sich an, als ob Sandsäcke an meinen Beinen hängen“, beschreibt sie die Schwere in ihren geschwollenen Beinen. Hinzu kam ein Kribbeln, manchmal Taubheitsgefühle, häufige blaue Flecke und ausgeprägte Dellen in der Haut.
Als sie wegen einer Sehnerv-Entzündung ins Krankenhaus eingewiesen wird, berichtet sie dort von all diesen Symptomen und wird gründlich durchgecheckt. Der Verdacht eines Arztes, dass es sich um Multiple Sklerose handeln könnte, bestätigt sich glücklicherweise nicht. Sie wird entlassen – mit der Empfehlung wegen der schweren Beine doch mal einen Psychologen aufzusuchen. „Ich fühlte mich mit diesem Problem nicht ernst genommen“, sagt sie. „Erst meinten die Ärzte, das verwachse sich wieder. Dann vermuteten sie MS, und am Ende sollte ich mir alles nur einbilden?“
Letztlich hat Celine es ihrer Tante zu verdanken, dass sie heute die Hilfe bekommt, die sie braucht. „Ich habe mit Celine mitgelitten und wusste, dass sie nicht einfach nur übergewichtig ist“, sagt Stefanie Schrader. Sie arbeitet als Medizinprodukte-Beraterin im Sanitätshaus Steinke in Halberstadt und vermutete ein sogenanntes Lipödem bei ihrer Nichte. Sie hatte einen Fernsehbeitrag gesehen, recherchierte weiter, sprach mit einer erfahrenen Kollegin – und war sich schließlich sicher. „Ich habe Celines Hausarzt dann direkt angesprochen. Leider haben die Ärzte diese chronische Erkrankung oft nicht auf dem Schirm. Glücklicherweise hat er für sie ein Rezept für die Kompressionswäsche ausgestellt.“
Celine hat sich inzwischen belesen und weiß, dass es vielen Frauen so geht wie ihr – und dass manche vermutlich gar nicht wissen, dass ihre sogenannten „Reiterhosen“ an den Oberschenkeln Zeichen einer Erkrankung sein können. „Ein Lipödem ist eine Störung der Fettverteilung. Das Unterhautfettgewebe vermehrt sich und stellt mehr Lymphflüssigkeit her“, erklärt sie. „Weil überwiegend Frauen erkranken, nimmt man an, dass es eine hormonelle Ursache gibt.“ Bei ihr war vermutlich die Pubertät der Auslöser. Aber auch einer Schwangerschaft oder die Wechseljahre können zu einem Lipödem führen.
Mit Lipödem lebenslange Therapie
Nun muss sich Celine auf eine lebenslange Therapie einstellen, denn eine Heilung gibt es nicht. „Aber man kann dafür sorgen, dass sich das Lipödem langsamer ausbreitet“, sagt sie. Wichtig sind neben Lymphdrainage, Beinmuskeltraining und gesunder Ernährung vor allem ihre maßgefertigten Kompressionsleggings, die sie nun täglich trägt, obwohl sie es anfangs als schwierig empfand, sie anzuziehen. „Meine Tante meinte, diese Hose muss zu meiner besten Freundin werden“, erzählt Celine lachend. „Nun freunden wir uns langsam an.“ Die Kompressionsstrümpfe verhindern, dass sich das Gewebe wie ein Schwamm mit Wassereinlagerungen vollsaugt, wirken wie eine Massage, lindern Schmerzen, unterstützen die Gefäße und sorgen für eine bessere Blutzirkulation.
Wenn sie unterwegs ist, schaut Celine Schrader heute aufmerksamer auf andere Menschen. „Ich bin mir sicher, dass es da draußen viele andere Betroffene gibt, denen es ähnlich geht wie mir früher. Ich würde ihnen gern Mut machen, zum Arzt zu gehen und sich untersuchen zu lassen. Manche sind nicht einfach nur dick, sondern krank. Bei einem Lipödem hilft keine Diät.“
Dana Toschner